Respiro
|
|
Kritik
Regisseur Emanuele Crialese hatte sich hier wahrlich etwas aufgesetzt: Auf einer Insel, die seit langem als technisch zurückgeblieben gilt, mit einer Population von Menschen, denen es viel eher daran liegt mit der Natur in Symbiose zu leben als an Samstag Abende ins Kino zu gehen - auf einer solchen Insel wollte er sein Filmprojekt realisieren. Crialese benutzte deshalb auch mit Ausnahme von der professionellen Valeria Golino hauptsächlich Laiendarsteller: Er selektierte Kinder in den lokalen Schulen, wobei als einziges Kriterium das Gefallen am schwimmen galt. Eine ordentliche Menge Bewohner von Lampedusa wurden angefragt, ob sie nicht zusammen mit den ausgewählten Kindern Film-Familien gründen könnten. Während der Dreharbeiten durften sich die Kinder gar ihre eigenen Eltern aussuchen. So bekam Crialese was er wollte: ein authentisches Lampedusa, mit den richtigen Bewohnern die selbst ihren tatsächlichen Dialekt mitführten - ganz in der Tradition des altbekannten, italienischen Neoliberalismus; so wie wir in in seiner schönsten Form aus Filmen wie "L'Albero degli zoccholi" kennenlernten.
Der Originaltitel des Filmes "Respiro" beschreibt wohl die seltsame Symolistik des Films etwas besser: Wie ein Atemzug zieht sich das Drama um Grazia in eineinhalb Stunden über eine Bühne, welche hauptsächlich aus Meer und Gestein besteht. Beinahe schon fabulös wird eine Geschichte erzählt, die im Grunde nicht das ist, was sie zu sein scheint. Erst, wenn man sich den mystischen Aspekte des Filmes öffnen kann, versteht man seine ganze Pracht.
Das Zauberwort des Filmes lässt sich nach wenigen Minuten Betrachtung herausfiltern: Es ist der 'Lebensrythmus' der gleichsam die Menschen mit der Natur bindet und die Insel und das Meer von den Bewohnern abhängig macht. Licht, Komposition und Bild schaffen es, diese Eindrücke rationalisiert und klar darzustellen. Ausserdem erkennt man an vielen Stellen, wie wichtig die Rolle des Meeres für Regisseur Crialese war. Als weiterer Protagonist einer Geschichte, ist es nämlich ebenso Bestandteil des Films wie es die Filmschauspieler sind. Hierzu kommt das Handwerk Fabio Zamarions: mit aussergewöhnlichen Unterwasser-Aufnahmen und der dazugehörigen, sphärischen Musikuntermahlung von John Surman, wird die Intension einer mystischen Plakete im Film noch weiter betont.
Das "Lampedusa" allerdings in den Filmfestspielen Cannes 2002 mit dem "Semaine de la critique" für den Besten Film ausgezeichnet wurde, ist nicht nur einer guten Regie und prächtigen Bildern zu verdanken. Das sich Crialese bei einfachen Laiendarstellern bedient trägt seinen Teil dazu bei, dass ausserordentlich ausdrucksstarke Schauspieler die Geschichte erzählen. Ganz vorne eine sich stetig verändernde, undurchsichtige Valeria Golino, welche mehr Grazia nicht sein könnte! Die geniale Napolitanerin sieht nicht nur gut aus, sondern ist auch eine hervorragende Schauspielerin. Sogar den selbstsicheren und sensibel agierenden Vincenzo Amato - Ehemann von Grazia im Film und privater Freund von Regisseur Crialese - stellt Golino in den Schatten. Schade eigentlich, dass sie in rezenten Produktionen (bsp. "Frida") bisher nur einfache Nebenrollen zu spielen hatte.
"Lampedusa" ist ganz klar Portrait eines Italiens zu dem sich heutzutage wohl einige zurücksehnen dürften. Das zwar mit engen Moralvorstellungen verbundene Leben ist gleichzeitig geprägt von seinem Kontrast zur Freiheit, Trivialität und Co-Existenz mit der Natur. Zeiten, in denen man zu dritt auf einer Vespa ohne Helm durch die engen Gebirgsstrassen fahren konnte und Kinder noch effizient und unabhängig eigene Erfahrungen machen konnten. Arbeiten, welche mit der natürlichen Umgebung direkt verbunden sind und die weite, unendliche Schönheit des Meeres. Crialese hat es wahrlich geschafft, in seinem Film eben diese Eindrücke entstehen zu lassen.
Bild Die früher veröffentlichte U.K. Version von Respiro die zuvor in Italien erschien, war was Bild und Kontrasteinstellungen betraf um einiges stärker. So hat die Justierung in die lokalisierte Fassung nicht besonders gut geklappt: das Bild ist oft unscharf. Zwar ist dies kaum störend dennoch fällt dies v.a. bei dünkleren Szenen auf. |
Sound Der sizilianische Slang, der schon beinahe in einen afrikanischen Dialekt übergeht, sollte man trotz sekundär guter Synchronisation geniesen. Filmfigur Filipo wirkt im Original viel penetranter und auch die ungewöhnlichen Laiendarsteller kommen viel "lebendiger" rüber. Für Kunden, die der italienischen Sprache nicht mächtig sind, sei allerdings anzumerken, dass die Untertitel dermassen rar angesetzt wurden und folglich viele Informationen so verloren gehen. Der Ton im allgemeinen betrachtet wurde gut nachbearbeitet. Die Dolby-Führung klingt wohlwollend aus gewöhnlichen Lautsprechern, nur für grössere Soundsysteme bietet der Film an sich bereits zu wenig Aufregendes. |
Extras
- Interviews
- Making Of Lampedusa (OmU, ca. 30 Min.)
- Trailer
DVD Übersicht | |
Filminformationen | |
Originaltitel | Respiro |
Genre | Drama |
Studio | ProKino |
Verleih | Universal |
Laufzeit | ca. 91 Minuten |
FSK | ab 6 Jahren |
Regie | Emanuele Crialese |
Darsteller | Valeria Golino, Vincenzo Amato, Francesco Casisa, Veronica D'Agostino |
Technische Details | |
Bild | 16:9 (1.85:1) |
Ton | Italienisch: Dolby Digital 5.1 Deutsch: Dolby Digital 5.1 |
Untertitel | Deutsch |
Anzahl Discs | 1 |
Verpackung | Amarayhülle |
© rezensiert von Philipp Thalmann am 05.07.04