Ratatouille - Review
Wenn Pixar zu Tisch bittet, erwartet das Publikum Grosses. Und nach dem leicht enttäuschenden 'Cars' bekommt es genau solches wieder serviert - wenn auch in Form einer kleinen Ratte.
Inhaltsangabe
Remy wünscht sich nichts sehnlicher, als verschiedene Esswaren miteinander zu kombinieren und eine aussergewöhnliche Speise daraus zu kreieren. Sein Problem: Er ist eine Ratte und wird von Menschen gar nicht gerne in ihren Küchen gesehen. Und sein Vater meint sowieso, Remy solle mit den Träumereien aufhören und seinen Abfall fressen. Durch einen (un)glücklichen Zufall landet Remy aber ganz alleine, getrennt von seiner Sippe, im Herzen von Paris - und gleich vor dem Restaurant seines grossen Idols, der verstorbene Koch Auguste Gusteau. In der Küche von 'Gusteau’s' kann Remy seine Krallen nicht von den Töpfen lassen und zaubert eine exquisite Suppe - deren Lob der untalentierte Küchenjunge Linguini einheimst. Als Linguini von Remys Können Wind kriegt, gehen sie einen Deal ein: Die Ratte darf weiterhin kochen, damit das fehlende Kochgeschick des Küchenjunges nicht auffällt. Doch Skinner, der hinterhältige Chef des 'Gusteau’s', scheint etwas zu ahnen…
Kritik
Wer nach 'Raatouille' aus dem Kino marschiert, wird fast umkommen vor Hunger. Denn was hier an digitalen Speisen herbeigezaubert wird, lässt einem das Wasser im Mund verlaufen. In jedes einzelne Gericht möchte man seine Beisserchen stecken, an jedem Suppentopf die Nase verwöhnen. Dabei kommt doch alles aus dem Computer und ist gar nicht echt. Mag sein. Doch als einzige moderne Trickfilmschmiede - und das darf man sagen, ohne mit der Wimper zu zucken - erschafft Pixar echte Gefühle in digitalen Welten. Wie sehr man sich sofort mit dem verträumten Remy verbunden fühlt, doch auch den tollpatschigen Linguini ins Herz schliesst. Und insbesondere ihre Freundschaft wirkt echt, die langsam aufgebaut wird. Das liegt nicht nur an der einmal mehr teuflisch guten Animation, die ein weiterer Quantensprung der Technik bedeutet. Bei Pixar waren es schon immer die mitreissenden, aber genauso gefühlvollen Geschichten, die im Vordergrund stehen. So eine bietet auch 'Ratatouille'.
Schon nur die Idee, dass eine Ratte (der Stereotyp des Müll fressenden Tiers) Koch werden möchte, ist Originalität pur. Der Weg, der zum Ziel führen soll, bleibt diesem Pfad treu. 'Ratatouille' spielt in seiner eigenen kleinen, aber absolut glaubwürdigen Welt. Witzige Nebenfiguren wie der kleine, böse Chefkoch Skinner oder der immer wieder als Remy’s Einbildung auftauchende Gusteau sind prächtige Zeitgenossen. Ein Highlight auch Anton Ego, ein verbissener Restaurantkritiker (und in einem seiner Monologe ein gelungener Seitenhieb auf Filmkritiker). Remy trifft natürlich auf seinem Weg noch auf weitere Gesellen, darunter auch seine Rattenfamilie. Aber in erster Linie ist es Remy selbst, der fasziniert. Einen niedlicheren Nager hat die Filmwelt noch nicht gesehen! Seine Herkunft vergisst die Ratte aber nie, denn sie muss lernen, dass man Essen nicht einfach stiehlt. Eine der wenigen Lektionen, die ein bisschen aufgesetzt wirken. Weiterer und letzter Kritikpunkt sind die mangelnden Überraschungen in der Geschichte: Zwar bietet 'Ratatouille' immer wieder Wendungen, doch selten überraschen sie so wie etwa in 'Incredibles', der in dieser Hinsicht noch einen Tick besser ist.
Den Kochlöffel beziehungsweise das Regiezepter hat bei ‚Ratatouille’ kein geringerer als Brad Bird geschwungen, der schon ‚The Incredibles’ zu einem Meisterwerk machte. Zwar ist Bird erst relativ spät ins Projekt eingestiegen, als Ersatz für Jan Pinkava ('Geri’s Game'), doch seine Handschrift ist unverkennbar. So holte er etwa wieder Michael Giacchino als Komponisten ins Boot, der Paris schon nur durch die Akustik zum Leben erweckt. Aber auch in Bildern ist die Stadt der Liebe ein Traum: Viele französische Nuancen wurden eingebaut, um den Ort unverkennbar zu machen. In einer Szene schleicht sich Remy etwa durch ein französisches Wohnhaus und beobachtet Bewohner, die vor herrlichen französischen Klischees nur so strotzen. Dazu kommt eine Beleuchtungsart, wie man sie in noch keinem Trickfilm gesehen hat: fein und leicht, als ob man mitten in einem Traum stecken würde - einfach wunderschön anzusehen! Der Titel 'Ratatouille' ist übrigens kein marketingtechnischer Selbstzweck, sondern ein entscheidender Teil des letzten Filmdrittels.
Über 'Ratatouille' könnte man noch viel mehr Worte verlieren. Wie gelungen sein Ende ist, wie komisch seine Witze sind. Er bietet ein rasendes Tempo, mit Verfolgungsjagden durch Küchen und halb Paris, und dann ist er wieder entspannend, beispielsweise wenn Remy zum ersten Mal richtig kocht. Doch vor allem bleibt der Buchtitel von Koch Auguste Gusteau hängen: Jeder kann Kochen. Im übertragenen Sinn: Jeder kann alles erreichen, wenn er nur an sich glaubt. Eine so simple, wie einfache Botschaft. Aber 'Ratatouille' bringt sie so gut rüber wie kaum ein anderer Film. Wenn eine Ratte Koch werden kann, ist alles möglich. Ausser, dass irgendein anderes Animationsstudio Pixar je das Wasser reichen kann.
Kurzkritik: Jeder könne kochen, heisst es im Film. Genauso könnte man sagen, jeder kann Filme machen. Beides stimmt wohl, doch nur bei den Gerichten aus der Pixar-Küche kann man sich auf ihre Qualität verlassen. 'Ratatouille' ist ein wunderbarer, ja wunderschöner Film mit anrührend-witziger Geschichte und liebenswerten Charakteren. Hier kostet man definitiv gerne mehr als nur einmal! |
Ab 3. Oktober 2007 im Kino
Im Verleih von Buena Vista International
© geschrieben von Adrian Spring